1.Jän. 2023 Hochfest der Gottesmutter
Maria erwog die Worte in ihrem Herzen
Lk 2,16-21
So eilten die Hirten hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war.
Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war.
Wir meinen, diese Schilderung längst zu kennen. Schließlich haben wir schon genügend Hirtenspiele gesehen, und die haben sich tief eingeprägt: Junge und alte Hirten bringen Geschenke. Sie überreichen dem jungen Elternpaar vielleicht ein Lämmlein oder ein Fässchen Milch. Sie bedauern das Kind, das in der Winterkälte frieren muss. Lasst uns genau hinsehen und zwar in doppelter Hinsicht: 1. Betrachten wir den Originaltext 2. Versetzen wir uns in die Lage der jungen Mutter Mariam.
Wenn wir den Text sorgfältig durchgehen, sollten wir ihn auch manchmal hinterfragen.
Die Hirten eilten hin. Genau übersetzt heißt es: Sie kamen als Eilende. Warum diese Eile? So war es eben nach der überwältigenden Begegnung mit dem „Boten des Herrn“: Sie konnten nicht anderes, als eilig nach der Bestätigung zu suchen. Ähnliches lesen wir in den Osterberichten des Johannes-Evangeliums: Maria Magdalena kam frühmorgens zum Grab und sah, dass der Stein weggenommen war. Da rannte sie zu Simon Petrus und dem anderen Jünger (Joh 29,1f) Wo Gott unsere gewohnten Wege durchkreuzt, löst es Unruhe aus und wir eilen zu jemandem, der uns aufklären kann.
Sie fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Der Original-Text verwendet nicht einfach das Wort „finden“, sondern „heraus-finden“. Offenbar haben sie länger gesucht. Zu beachten ist auch die Reihenfolge: 1. Maria 2. Josef 3. das Kind. Der griechische Text verwendet nicht das Wort „Kind“ = PAIS, sondern Baby, Säugling = BREPHOS.
Das Matthäus-Evangelium schildert, dass Sterndeuter nach Betlehem gekommen sind. Dort wird nicht mehr das Wort Baby / Säugling verwendet, sondern Kindlein / Kleinkind, was darauf hindeutet, dass jene nicht mehr ein Neugeborenes vorfinden, sondern vielleicht schon einjähriges Kind. Die Hirten stellen fest, dass das Baby auf einem Futterplatz liegt, also in einer Holzkiste, aus der Tiere heraus fressen. Von einem Stall ist im Evangelium keine Rede, nur die Krippe wird ausdrücklich erwähnt.
Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Das Lukas-Evangelium sagt nicht einfach „sie erzählten“, sondern sie „machten bekannt“, sie eröffneten den Zuhörern, was ihnen über dieses Knäblein geschildert worden war. Somit wurden die Hirten zu Verkündern. Sie, die selber Ungebildete waren, durften andere darüber aufklären, was Gott mit diesem Menschen vorhatte. Sie haben sich die Botschaft nicht selber zurecht gelegt, sondern von einem göttlichen Boten erhalten. Wenn wir die Kernaussage erfahren wollen, müssen wir zurück blättern: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, er ist der Christus, der Herr.“ Dass das Baby in Windeln gewickelt ist, wäre nichts Außergewöhnliches, das geschieht mit jedem Säugling. Aber dass es keine ordentliche Wiege hat, ist ein Hinweis auf Armut von der Geburtsstunde an.
Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. Wer sind die alle, wenn nur Maria und Josef anwesend waren? Vielleicht deutet Lukas damit an, dass alle, die später das Evangelium hören, staunen werden, wie es nur möglich ist, dass so Großes, Göttliches von einfachen und nicht hochgebildeten Leuten weitergetragen wird.
Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Gehört Maria auch zu denen, die hier etwas Erstaunliches über ihr Neugeborenes erfährt? Bevor ihre Schwangerschaft begann, hatte ihr der Engel Gabriel angekündigt: „Du wirst einen Sohn gebären.... Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. ...“ Dass er der Retter sein würde, der Gesalbte, der Christus, der Messias, das hatte Gabriel nicht gesagt. Das erfährt Maria von den Hirten. Sie bewahrt es auf wie einen Schatz. Sie beschützt es vor dem Zerreden. Das klingt so, als wäre es ihr nicht von vornherein verständlich gewesen, aber trotzdem sei sie behutsam damit umgegangen. Sie hing es nicht an die große Glocke, sondern erwog es in ihrem Inneren, in ihrem Herzen. Sie betrachtete es gründlich und zog ihre Schlussfolgerungen daraus. Vielleicht bot sich erst nach Jahrzehnten die Gelegenheit, das Aufbewahrte jemandem anzuvertrauen, der gut damit umgehen konnte, dem es selber eine Hilfe war und der es dann schriftlich festhielt, sodass es schließlich im Lukas-Evangelium Eingang fand.
Die Hirten kehrten zurück. Außer dass sie das „Wort bekannt machten“, hatten sie an der Krippe nichts getan. Sie mussten es einfach los werden und sie fanden dort die Bestätigung dafür. Das machte sie glücklich und dankbar.
Sie rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. Hinterher gab es einen feierlichen Lobpreis. Sie waren nicht religiös gebildet, hatten keine Erfahrung, wie ein Gotteslob gestaltet werden sollte. Trotzdem waren sie imstande Gott zu verherrlichen durch Gesang und lautes persönliches Gebet Wieso wissen wir darüber Bescheid, wenn es erst war, als sie schon zurück gekehrt waren? Scheinbar ist die Verbindung zwischen ihnen und Maria und Jesus noch lange aufrecht geblieben, sodass sie die weitere Entwicklung erfuhren.
Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, ...
Damit erfolgt ein Themenwechsel von den Hirten zur religiösen Gepflogenheit. Der Original-Text sagt nicht „... die acht Tage vorüber waren“, sondern erfüllt waren. Für Lukas ist „Erfüllung“ ein Leitthema. Es entsprach der jüdischen Vorschrift, dass ein Knabe am 8. Tag beschnitten werden musste. So steht es im Gesetz: Der Herr sprach zu Mose: Sag zu den Israeliten: Wenn eine Frau niederkommt und einen Knaben gebiert, ist sie sieben Tage unrein, wie sie in der Zeit ihrer Regel unrein ist. Am achten Tag soll man die Vorhaut des Kindes beschneiden, (Lev 12,1-3)
... gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war Die Beschneidung wurde mit der Namensgebung verbunden. Normalerweise wählte der Vater den Namen des Kindes aus. Diesmal war es anders: Die Mutter nannte den Namen. Sie wiederum hatte ihn schon erfahren, bevor sie überhaupt schwanger war. Der Name Jesus ist die in der römischen Welt verkürzte Form von JESCHUA. Der Name bedeutet „Gott rettet“, es war ein unter den Juden weit verbreiteter Name.
Nach der gründlichen Text-Betrachtung können wir uns auch noch in die Lage der jungen Mutter versetzen: Vergleichen wir, wie es einer jungen Mutter heute geht, nachdem sie ihr Kind zur Welt gebracht hat. Sie wünscht sich sehnlichst, dass jemand kommt aus der engeren Verwandtschaft oder dass nahe Freundinnen kommen, denen sie ihr Baby zeigen kann. Sie möchte die Freude über ihr Liebstes teilen und möchte den Hergang der Geburt jemand in Einzelheiten schildern. Wer kam damals in Betlehem? Wen hätte Maria verständigen können? Verwandte waren weit entfernt. Die himmlische Regie wollte es, dass ungebildete Menschen vor der Tür standen, Hirten, die den Großteil ihrer Zeit in der freien Natur verbrachten, die sich zufällig in der Nähe aufhielten. Verwandte sind nicht da, aber die Hirten werden ihre Verwandten. Auch das ist symbolisch für die weitere Zukunft des gekommenen „Retters“ - Seine Verwandten sind jene, die auf das Wort hören und sich daraufhin eilig auf die Suche machen, um es bestätigt zu bekommen.