18. Aug 2019
20.Sonntag im Jkr
Nicht Friede und Eierkuchen
Lukas 12,39 – 53
Schon in den ersten beiden Sätzen dieses Evangelien-Abschnittes klingen wieder 2 Leitthemen des Lukas an: „Feuer“ und „Erfüllung“ – oder anders ausgedrückt: „Etwas in Flammen setzen“ und „Ans Ziel gelangen“. Lukas lebt möglicherweise genau in jener Entwick-lungsstufe des Christentums, in der die politische Unterdrückung wieder nachgelassen hat. Die aufstrebende Jesus-Bewegung bekommt wieder etwas Ruhe von außen. Vielleicht fällt die Abfassung seines Buches in die Regierungszeit des Kaisers Nerva (96 – 98 n.Chr.) oder Trajan (98 – 117 n.Chr.), in der es keine aktive Verfolgung von Christen mehr gab. In der Epoche davor – unter Domitian (81 – 96 n.Chr.) – wurde den Andersdenkenden das Leben schwer gemacht. Wer den Kaiser und seine göttliche Größe anzweifelte, musste damit rechnen, die eigene berufliche Stellung und sogar seinen Besitz zu verlieren. Er konnte ins Aus-land oder auf eine Insel verbannt werden. Überall im Reich witterten Denunzianten die Gunst der Stunde und Sklaven lieferten ihre eigenen Herren aus. Wer offen für Wahrheit und soziale Gerechtigkeit eintrat oder politische Missstände anprangerte, riskierte sein Leben.
Die Taufstelle am Jordan bei Jericho erweist sich bei jedem Besuch als berührender Ort. Russische Christen tauchen sich gerne selber unter, auch wenn Johannes das damals mit den Gläubigen gemacht hat.
Im Jahr 96 wurde dieser selbsternannte „Gott“, der in Wahrheit ein Teufel war, von seinem „himmlischen“ Thron gestürzt: Er fiel einem Anschlag zum Opfer. Auf ihn folgte der milde Kaiser Nerva. Dieser ließ Enteignungen wieder rückgängig machen und Verbannte heimkehren. Sklaven, die über ihre eigenen Herren Unwahrheiten in Umlauf gebracht hatten, sie denunziert hatten, wurden hingerichtet.
Diese Wiedergutmachung kam auch engagierten Christen zu Gute, wahrscheinlich auch dem hoch angesehenen Johannes aus Kleinasien, Verfasser der Johannes-Offenbarung. Darin wird schon in den Anfangskapiteln beklagt, dass in so vielen Gemeinden die ursprüngliche Begeisterung geschwunden sei: „Du hast deine erste Liebe verlassen“ (Brief an die Gemeinde von Ephesus, Off 2,4). Der Gemeinde von Laodizea wirft der Verfasser vor: „Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! Daher, weil du lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien.“ (Off 3,15f)
In dieselbe Kerbe schlägt Lukas, wenn er das schwach gewordene Feuer des Christentums beklagt. Er benützt die Schärfe seiner Schreibfeder, wenn er Jesus schildert als einen, der seinem engeren Mitarbeiterkreis zuruft: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.“ In der Vorlage des Lukas – in der Logienquelle Q – ist zwar gestanden: „Ich bin gekommen, nicht um Frieden zu werfen, sondern das Schwert.“ Lukas schreibt das „Schwert“ um auf „Feuer“ – vielleicht weil er nicht in den Verdacht kommen will, die Jesus-Kreise würden zum Schwert greifen und damit die öffentliche Sicherheit gefährden. „Feuer“ hingegen ist ein Leitwort für ihn: Gott offenbart sich im Feuer – das liest Lukas in dem von ihm hochgeschätzten 5-Bücher-Werk der jüdischen Heiligen Schrift. So klingt das „Feuer“ schon bei Johannes dem Täufer an: „Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, … Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.“ (Lk 3,16f) Die frühe Jerusalemer Gemeinde schildert Lukas als eine, in der die Begeisterung noch sichtbar war wie Feuer: „Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder.“ (Apg 2,3) Den Aufruf an die Gemeinden der ruhigen 90er Jahre schreibt Lukas ganz im Sinne Jesu: „Feuer zu werfen auf die Erde, dazu bin ich gekommen. Was will ich mehr, als zu sehen, dass es viele in Brand gesteckt hat.“ Lukas wünscht sich, dass dieser Aufruf noch bei denen ankommt, die sein Buch 2000 Jahre später studieren.
Einmal ergab sich eine ganz herzliche Begegnung zwischen der oberösterr. Pilgergruppe und arabischen Mädchen.
Die Begegnung löste eine Freude aus, die sich im feurigen Singen ausdrückte. Taufstelle wurde zum Ort der Freude und Begeisterung.
Ein weiteres Leitthema des Lukas folgt im nächsten Satz: „Erfüllung“. Jesus sagt ohne Beschönigung: „Das Eintunken (=Taufe) lässt sich nicht vermeiden. Dass ich hinunter gedrückt werde in die Flut, ist ein Muss. Das kommt unausweichlich auf mich zu. Und wie sehr gerate ich dadurch in Bedrängnis, solange bis es an ihr Ziel gelangt ist, bis es sich erfüllt hat.“ Diesen Klartext spricht Jesus nicht nur über sich selbst, sondern über jeden, der sich ihm verbindlich anschließt. Er hat schon die beiden ehrgeizigen Apostel Jakob und Johannes gefragt: „Könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?“ (Mk 10,38) Lukas will seinen Lesern klarmachen: Christ zu sein bringt zwar inneren Frieden, führt aber äußerlich in die Zwickmühle. „Seid ihr der Meinung, dass ich erschienen bin (nicht „gekommen“), um der Erde den Frieden zu geben – im Umfeld eines jeden Frieden zu schaffen oder gar den Weltfrieden herzustellen?“ Jemand könnte behaupten, Lukas widerspreche sich nun selbst: Schrieb er doch bei der Geburt des Kindes in Betlehem vom Friedensfürst. Genau gelesen steht aber dort: „Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ Für den Weltfrieden hat sich Kaiser Augustus gerühmt (Pax Romana), Jesus hingegen betonte immer: Friede in euren Kreisen! „Er trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“ (Lk 24,36)
Nun verwendet Lukas die 5-Zahl der Mosebücher, die symbolisch die Grundlage der jüdischen Ordnung ist: Lukas weiß aus Erfahrung, dass es gerade in den traditionell jüdischen Wohneinheiten und Stadtvierteln zu Spaltungen gekommen ist: Gläubige, die sich an die herkömmliche Religion anklammerten, traten auf gegen Gläubige, die sich der befreienden Botschaft anschlossen. Jesus macht klar: „Es wird zum Bruch kommen im gewohnten Sozial-Gefüge: Ab dem Zeitpunkt, dass sich jemand entschieden mir anschließt – in Form einer Gemeindezugehörigkeit und dort >Bruder< oder >Schwester< wird, kommt es in seinem Wohnhaus zu Reibereien.“ Sich etwa im Geist Jesu für Ausgegrenzte zu engagieren, bringt nicht die Zustimmung der Hausgenossen: „Wenn euch das so zu sein scheint, dann sage euch: Im Gegenteil: Kein Konsens, sondern geteilte Meinung, Zwietracht, Trennung, Abspaltung. Aus den fünf werden zwei gegen drei und drei gegen zwei.“
Zum Abschluss greift Lukas noch ein Wort aus dem Buch Micha auf, in dem der Prophet das unsoziale Verhalten der Führungsschicht im 8.Jh. v.Chr. anprangert: „Traut den Nachbarn nicht. Verlasst euch nicht auf den Freund. Vor ihr, die an deiner Brust liegt, hüte die Pforte deines Mundes. Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter stellt sich gegen die Mutter, die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.“ (Micha 7,5f) Dies klingt nach Rebellion der Jungen gegen die Alten. Lukas ergänzt dazu die Angriffe der Alten auf die Jungen: „Es wird geteilte Meinung geben zwischen den Generationen: Vater gegen Sohn und Sohn gegen Vater. Also nicht nur die Rebellion der Jungen gegen die Alten, wie es beim Propheten geschrieben steht, sondern auch umgekehrt. Dasselbe auch auf weiblicher Seite: Mutter gegen die Tochter und Tochter gegen die Mutter. Genauso im angeheirateten Bereich: Schwiegermutter gegen die Schwiegertochter und Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter. (Beachte, dass im Originaltext nicht immer der Artikel verwendet wird: also z. B. nicht „der“ Vater gegen „den“ Sohn, sondern „Vater gegen Sohn“)
Diese Jesus-Worte wollen uns aufklären: Sticheleien und Feindseligkeit von Nachbarn sind unvermeidlich, wenn wir im Geist der Liebe wahrhaftig, hilfsbereit und mutig sind. Wenn dadurch Unfrieden entsteht, sollen wir uns nicht verunsichern lassen. Es muss nicht die Folge unseres eigenen Fehlverhaltens sein, es kann sogar Kennzeichen für den ehrlichen Weg sein. Jesus wünscht sich nicht Anhänger, die nur ihren Frieden haben wollen, sondern die heldenhaft wie er für das Gute eintreten. „Feuer zu werfen auf die Erde, dazu bin ich gekommen. Was will ich mehr, als dass es schon viele in Brand gesteckt hat.“