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20.Nov. 2022      Christkönig-Sonntag

Hingerichtet und doch ein König

Lukas 23, 35 – 43

Das Volk stand dabei und schaute zu; auch die führenden Männer verlachten ihn und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte. Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst! Über ihm war eine Aufschrift angebracht: Das ist der König der Juden.

Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Jesus am Kreuz, das ist doch Thema der Leidenswoche. Es passt vordergründig nicht zum Abschluss des Kirchenjahres. Diesmal dient die Schilderung dazu, Christus als König darzustellen. Indem wir die Markus-Version (geschrieben Ende der 60er Jahre) und Lukas-Version (geschrieben in den 90er Jahren) sorgfältig vergleichen, erkennen wir deutlich, dass uns Lukas einen Jesus vorstellt, der in Würde stirbt – als König, so wie er immer sein Königtum verstanden hat. Im ursprünglicheren Markus-Evangelium hauchte Jesus mit einem Schrei der Enttäuschung aus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Das ging allen, die es im Umkreis hörten, durch Mark und Bein. Es war so einprägsam, dass der Ruf im Originalton – aramäisch -  überliefert ist: „Eloi, eloi, lama sabachtani“ Wie konnte es nur so weit kommen? – Bis zum Gefühl von Gottverlassenheit? Auch wenn sich der qualvoll sterbende Jesus hier an ein Psalm-Gebet klammerte (Psalm 22), klang es trotzdem niederschmetternd: Das sollte sein letztes Wort gewesen sein, bevor er endgültig aushauchte.

Schon Lukas 60 Jahre nach dem Ereignis konnte das nicht so niederschreiben. Er fühlt sich genötigt, das Wort zu ersetzen durch ein sanfteres: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Auch das lehnt sich an ein Psalm-Wort an (Psalm 31, dort ohne „Vater“). Lukas legt Jesus das in den Mund, aber tatsächlich gesprochen hat er es wohl nicht in seinen letzten Zügen. Lukas beschönigt hier. Gleichzeitig bedient er sich damit eines schriftstellerischen Kunstgriffes: Das erste Wort des jungen Jesus im Lukas-Evangelium nennt den „Vater“: Es ist der Zwölfjährige im Tempel, der seiner Mutter erwidert: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört.“ (Lk 2,49) Sein letztes Wort (laut Lukas-Evangelium!) nennt wieder den „Vater“.

Es ist also zu erkennen, wie Lukas Geschehnisse umgestaltet, weil er eine Botschaft unterbringen will – nämlich, dass Jesus eine „Königsherrschaft“ vertreten und verbreitet hat, aber eine „andere Königsherrschaft“. So gestaltet Lukas das Kreuz  in feinen Strichen um, damit es durchscheinend wird auf die Königsherrschaft Jesu. Das Kreuz wird zum Zeichen der Vollendung, des Sieges, des neuen Königtums.

Glaskreuz Lasberg 1.JPG

In der Pfarrkirche von Lasberg, Oberösterreich, ist im Altar-Block das Kreuz aus Glas eingearbeitet. Darüber hängt als ovale Glasplatte: noch einmal das durchsichtige Kreuz.

Vom Kirchenraum aus kann der Besucher durch die Glasplatte in den Altar-raum schauen. So wird das Kreuz durch-scheinend auf die Königsherrschaft  des Christus hin. Lukas hätte seine Freude damit.

Bei Markus ist noch zu lesen: „Zusammen mit ihm kreuzigten sie zwei Räuber, den einen rechts, den anderen links. … Auch die beiden Männer, die mit ihm zusammen gekreuzigt wurden, beschimpften ihn“. Sie beschimpften ihn genauso wie die Hohenpriester und Schriftgelehrten. Lukas fügt  das Zwiegespräch ein zwischen Jesus und dem rechten Bösewicht, um die entscheidende Botschaft unterzubringen: In großartiger Knappheit schreibt Lukas, wie Jesus wenige  Augenblicke vor dem Sterbens noch jemand anderem  das Tor öffnet zur neuen Herrschaftsordnung.

 

Manche spotten darüber, dass Jesus es zum Schwerpunkt seines Wirkens machte, Menschen herein zu retten in die heilsame Ordnung. Wenige nützen die Stunde, dass sie noch bitten um Zugang dorthin. Lukas will seinen Lesern klar machen: Es hat auch spät im Leben noch einen Sinn, bei Jesus um Aufnahme zu bitten. Die beiden Mitgekreuzigten nennt Lukas deshalb nicht wie Markus „Räuber“, sondern „Böses-Tuer“, „Übeltäter“ (meist wird unzutreffend mit „Verbrecher“ übersetzt). Lukas will damit erreichen, dass sich auch Menschen angesprochen fühlen, die zwar keinen Raubmord begangen haben, aber doch einiges „am Kerbholz haben“. Sie sollen sich dazu durchringen, dass sie ihr Vorleben ehrlich anschauen, sich richtig einschätzen und um Rettung bitten. Das Dreiergespäch derer am Kreuz ist tief beeindruckend, aber es ist kaum vorstellbar, dass es so stattgefunden hat. Es  hat in der christlichen Kunst nachhaltig Spuren hinterlassen. Aber kann es tatsächlich so gewesen sein? Am Kreuz Hängende  ringen stundenlang um Luft und stemmen sich immer wieder unter äußersten Schmerzen hoch, um nach Luft zu schnappen. Gekreuzigte erleiden schlussendlich einen erbärmlichen Erstickungstod. Somit ist das gefasste Gespräch der drei Gekreuzigten historisch unwahrscheinlich. Der letzte Satz, den Lukas dem sterbenden Jesus in den Mund legt, verrät eindeutig lukanische Anliegen: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Das Wort „Paradies“ kommt sonst nie im Munde Jesu vor – überhaupt nur zwei Mal im gesamtem Neuen Testament. Das Wort „heute“ ist ein Lieblingswort des Lukas, es ist für ihn bedeutungsschwer. Viermal steht im Lukas-Evangelium dieses Heute: (1) bei der Geburt Jesu verkünden die Boten des Himmels den Hirten: „Heute ist euch der Retter geboren!“ In Nazaret lässt Lukas den neuen geisterfüllten Lehrer Jesus eine Antrittspredigt halten: „Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt.“ Als Jesus den Oberzöllner Zachäus am Baum bemerkt, erklingt sogar ein doppeltes Heute: „Zachäus, komm eilends herunter, denn ich muss heute in deinem Haus bleiben. …. Heute ist diesem Haus Heil geschenkte worden.“ und hier am Kreuz gegenüber dem Mitgekreuzigten: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“

Lukas verfolgt damit ein dringendes Anliegen: Wir HEUTE sollen uns ansprechen lassen. Wir dürfen häufig die Herrschaft Gottes als durchscheinend erkennen – in hoffnungsvollen Stunden, aber auch in unserem persönlichen Kreuz. Ob es eine schwere Erkrankung ist, ob es der Verlust eines wertvollen Menschen ist, ob es das Scheitern eines großen Vorhabens ist – diese Ereignisse sind im Augenblick schmerzlich, aber hinterher betrachtet – im Nachhinein – können sie sich als Durchbruch der Gottesnähe erweisen. Die Ordnung der Liebe, die Erfahren des Angenommen-Seins, setzt sich bei denen durch, die sie sich danach sehnen und die ihre Sehnsucht aussprechen vor Gott. Es ist dafür nie zu spät. Nehmen wir an, dass Lukas die Sache nicht vollkommen frei erfunden hat. Irgend „etwas“ war doch da. Vielleicht der ehrliche Schrei um Rettung in letzter Minute. Jesus hat die Rettung nicht verweigert. Der letzte, dem Jesus noch die „Staatsbürgerschaft in seinem Königreich“ zuerkannt hat, war ein Übeltäter. So bunt und vielfältig ist schlussendlich sein Reich. Diese Buntheit wird sich in seiner Kirche widerspiegeln. Sie wird eine Gemeinschaft, in der auch Leute mit heikler Vorgeschichte Aufnahme finden.

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