21.Mai 2023 7.Sonntag der Osterzeit
Die Bitte, dass sie eins sind.
Johannes 17,1-11
Dies sprach Jesus. Und er erhob seine Augen zum Himmel und sagte: Vater, die Stunde ist gekommen. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht! Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt. Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus. Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast. Jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war!
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben und sie haben dein Wort bewahrt. Sie haben jetzt erkannt, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir ist. Denn die Worte, die du mir gabst, habe ich ihnen gegeben und sie haben sie angenommen. Sie haben wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie sind zu dem Glauben gekommen, dass du mich gesandt hast. Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht. Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt und ich komme zu dir. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir!
Wir hören einen dritten Ausschnitt aus der langen Abschiedsrede Jesu. Sie zieht sich über 4 Kapitel, nämlich 14,15, 16 und 17. Der Evangelist platziert sie an das Ende des letzten Paschamahles, bei dem nur sein engster Vertrautenkreis anwesend war. Sie ist also nicht für die Allgemeinheit gedacht, sondern für solche, die schon drei Jahre mit Jesus gegangen sind und Erfahrung mit ihm gesammelt haben. Schon bei den beiden vorigen Abschnitten (siehe vorige Sonntage) ist der Eindruck entstanden, dass die Rede so nicht aus dem Mund Jesu stammt. Die Grundaussagen gehen auf Jesus zurück, aber die Gesamtrede beim Abendmahl in dieser Länge und in dieser Form stammt aus der Feder des Autors. Dieser Anschein verstärkt sich jetzt im Kapitel 17 noch mehr. Der letzte Redeteil ist formuliert wie ein Gebet des scheidenden Jesus, aber bei genauem Hinhören erweist er sich eher als Glaubensbekenntnis der frühen Christengemeinde, also aus der Zeit des Autors. So wollen wir die Rede nun gleich lesen
Die Gemeinde bekennt und glaubt fest:
Dieser Jesus, der vor 60 Jahren gewirkt und gelehrt hat, tat dies aus einer außerordentlichen Gottes-Verbundenheit heraus. Am deutlichsten drückte er sie in der Vater-Anrede aus. Die Beziehung zum Vater war wechselseitig: Jedes erfolgreiche Wirken Jesu war immer neu ein Hinweis auf die Großartigkeit des Vaters. Vater, verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. Das Wort „verherrlichen“ und „Herrlichkeit“ kommt im Johannes-Evangelium auffallend oft vor, anders als in den übrigen Evangelien. Es heißt im griechischen Original-Text DOXA und bedeutet „Glanz“ und hohes Ansehen, das alles überstrahlt. Es ist wie Lichterflut und Scheinwerferlicht. Moderne Shows leisten heute einen gewaltigen technischen Aufwand mit funkelndem und gebündeltem Licht in allen Farben. Das gleißend Helle war immer schon Hinweis auf das Überwältigende, das Göttliche. Das Überstrahlen lässt Ereignisse wie den Tod in völlig neuem Licht erscheinen.
Funkelndes Licht und gebündelte Lichtstrahlen - sie haben Menschen immer schon auf das Göttliche verwiesen: Gebildete Menschen gleichermaßen wie einfältige staunen davor. Im Griechischen heißt Herrlichkeit DOXA und meint eine Flut von Licht.
Jesus ging dem Tod heldenhaft aufrecht entgegen in der Gewissheit, dass ihm der VATER hinterher die letzte Vollmacht erteilen würde, ihn zur höchsten Autorität erheben würde. Der VATER hat den Gesalbten im Tod gerade nicht fallen gelassen, sondern genau das Gegenteil: Er hat ihm leuchtenden Ruhm und herrlichen Glanz gegeben, einen Glanz, den die Menschheit anerkennen wird, sie kann ihn nicht übersehen. Das war das CREDO der frühen Christen. Erst recht das CREDO des Johannes-Evangeliums, deshalb verwendet es nicht das Wort „Sterben“ bei Jesus, sondern „Verherrlichung“
Das hat zur Folge, dass der Christus seiner Anhänger-Schar eine Lebenssicherheit vermitteln kann. Die Leute seiner Gefolgschaft werden ein Leben führen, das durch nichts erschüttert werden kann. Letztlich kann ihnen auch der Tod nichts anhaben. Das ist mit „ewigen Leben“ gemeint. Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt Sie werden in Laufe ihrer Lebensreifung immer deutlicher zur Erkenntnis kommen, wie nichtig das viele Zeug ist, was die Menschen in der Welt vergöttern. Diese lassen sich von kurzlebigem Glanz in Bann ziehen. Die aber, die zu Christus gefunden haben, werden erkennen, was in Wahrheit „Gott“ ausmacht. Der Christus hat in seinem ganzen Tun und Reden Gott dargestellt – glanzvoll dargestellt. Er, ja genau er, der Christus, war es, er hat das Wirken Gottes auf der Erde zu einem Höhepunkt geführt. So war es ja auch der Plan, der in der Welt enthalten war, ja, der ihr zugrunde liegt. Im Anfang war das Wort, das Leitwort. (Joh 1,1)
Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt. Die Menschen hatten gewisse Glaubensvorstellungen, ihr Gottesbild war geprägt von verschiedenen Vorgaben und Überlieferungen. Es waren teils gute und teils unfähige religiöse Lehrer, die das Gottesbild der Menschen geprägt haben. Die einen sind aufgewachsen in einer schönen Kindheit, die anderen in einer leidvollen. Das alles prägte ihr Gottesbild. Christus hat gezeigt, wodurch sich Gott tatsächlich auszeichnet, was in Wahrheit seinen Namen ausmacht. Christus hat den Namen offengelegt und bekannt gemacht. Nicht alle Menschen haben sich auf dieses neue Gottesbild eingelassen, nicht alle wollten diesen Namen annehmen und ihn sich zu Eigen machen. Nur „seine Schar“ hat den Namen angenommen. Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast
Die Gemeinden der 90er Jahre, die der Evangelist vor Augen hat, waren einem scharfen Gegenwind ausgesetzt. Er kam aus politischer und allgemein-gesellschaftlicher Richtung. Dazu gab es auch noch Zerreißproben von innen her. Am heftigsten aber kamen die Angriffe aus der Richtung der traditionellen Religion. Das etablierte Judentum war in den 80er Jahren offiziell dazu übergegangen, alle auszuschließen, die sich zu dem Messias Jesus bekannten. Diese jedoch waren immer fester davon überzeugt, dass Jesus der von Gott Gesandte war.
Ein sicheres Mittel, um zu bestehen in dem Gegenwind, war damals (und ist es auch heute) die Einigkeit, der Zusammenhalt, die gegenseitige Wertschätzung statt Herabwürdigung, das Aufarbeiten von Zwistigkeiten. So schließt dieser Abschnitt: „ ... damit sie eins sind wie wir.“ Der Evangelist formuliert es zwar als Gebet Jesu, meint es aber zugleich als dringende Mahnung an seine Leser: Lasst drohende Spaltungen keinesfalls weiter aufreißen. Tut alles, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Die herzliche Verbundenheit untereinander soll euch Christen auszeichnen. Das Eins-Sein muss laufend gepflegt werden.
Es gibt viele unterschiedliche Gründe, warum Einigkeit in unseren Christen-Runden so wichtig ist. Der tiefste Grund liegt darin, dass unser Gründer – nämlich Jesus – immer die Übereinstimmung mit dem VATER gesucht hat. Seine Einigkeit mit dem VATER muss sich in unseren Gemeinschaften abbilden und fortsetzen. Es muss erkennbar sein für andere, dass wir zusammenhalten. Die Art, wie wir miteinander umgehen und wie wir Eins sind, sie wird zum ersten Gottesbeweis vor der Welt.