5.Juni 2022 Pfingst-Sonntag
Der Beistand wird euch an alles erinnern
Joh 14,15-16.23b-26
Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll,
Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen. Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.
Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Wenn ihr mich liebt, … Es ist hier nicht so sehr vom Einzelnen die Rede, der Jesus liebt, sondern von der Gruppe. Ihr als Gruppe, die ihr zusammenkommt als meine Gemeinschaft und dabei die Beziehung zu mir vertieft. Für „Lieben“ wird das griechische Wort AGAPE verwendet, nicht PHILIA: AGAPE bedeutet wertschätzen, sich kümmern um jemanden. Man drückt darin aus: „Du spielst eine wichtige Rolle in unserem Leben. Wir schätzen dich sehr – wir mitsammen und jeder von uns. Was täten wir ohne dich? Wir haben das Bedürfnis, mit dir Zeit zu verbringen und ein wenig mehr von dir zu erfahren.“
werdet ihr meine Gebote halten Ihr werdet meine Zielvorgaben genau im Auge behalten. Für „Gebote“ gibt es im Griechischen zwei unterschiedliche Worte: ENTOLE bedeutet soviel wie Weisung, Anordnung, dringende Empfehlung. EN-TOLE enthält das Wort TELOS = Ziel. Somit ist mit dieser Art von Gebot eine Zielvorgabe gemeint. Dieses Wort steht hier in diesem Satz. Das zweite griechische Wort für Gebot heißt NOMOS. Es bedeutet Regel, Norm, Vorschrift. Es ist eine strenge Vorgabe, die jeder zu befolgen hat, sonst könnten ihm Strafe drohen. Hier ein paar Textbeispiele für ENTOLE und NOMOS, sie machen es besser verständlich: „Ein neues Gebot (ENTOLE) gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ (Joh 13,34) Einander Wertschätzung entgegen zu bringen, das ist eine Zielvorgabe, die wir anstreben sollen, es ist keine Anordnung, die sich punktgenau befolgen lässt.. Im Unterschied dazu Textbeispiele für NOMOS: „Pilatus sagte zu ihnen: Nehmt ihr ihn doch, und richtet ihn nach eurem Gesetz (NOMOS)!“ (Joh 18:31) Paulus schreibt den Gemeinden in Galatien, sie sollten nicht meinen, dass Gott die Gläubigen deshalb annimmt, weil sie die Vorschriften genau einhalten: „Alle aber, die aus den Werken des Gesetzes (NOMOS) leben, stehen unter einem Fluch. Denn in der Schrift heißt es: Verflucht ist jeder, der sich nicht an alles hält, was das Buch des Gesetzes zu tun vorschreibt.“ (Gal 3,10) „Einer trage des anderen Last, und so werdet ihr das Gesetz (NOMOS) des Christus erfüllen“. (Gal 6,2)
Der Abendmahl-Saal hat zwar nicht mehr die räumliche Form von damals, aber der Ort dürfte noch der damalige sein - am Zionsberg in Jerusalem. Dort dürfte sich auch der Anhänger-Kreis versammelt haben, um das jüdische Wochenfest, unser Pfingstfest gemeinsam zu feiern.
Das Wort „halten“ bedeutet nicht einhalten, sondern beobachten. Es wird verwendet bei Soldaten, die einen Gefangenen nicht aus den Augen verlieren dürfen, den sie dauernd unter Beobachtung behalten müssen. Auch einen geheimen Schatz wird jemand ständig bewachen. „Wenn ich euch viel bedeute, dann werde ihr meine Zielvorgaben ständig beobachten“
Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Das “Ich” ist betont durch EGO. “Das bin ich, der den Vater bitten wird.” Wenn Jesus künftig nicht mehr unter ihnen sein wird, so wie sie ihn drei Jahre gewohnt waren, dann werden sie nicht verwaist sein. Es ist schon vorgesorgt, nämlich er hat schon vom Vater die Zusage erhalten, dass sie einen Lebens-Helfer bekommen, so wie er einer war für sie. Das griechische Wort PARAKLETOS heißt Beistand, Helfer, Rechtsbeistand. Der juridische Aspekt kommt im entsprechenden lateinischen Wort ADVOKATUS zum Ausdruck. Das Wort PARAKLET kommt nur im Joh-Evangelium vor. Der Text sagt wörtlich nicht „er wird bei euch bleiben“, sondern „mit“ euch. Unter „bei euch“ hätte man das Gefühl, er sei irgendwie in der Nähe. Wenn er „mit euch“ ist, dann unterstützt er euch, dann ergreift er für euch das Wort, dann verteidigt er euch, sogar vor einem weltlichen Gericht. „Man wird euch um meinetwillen an die Gerichte ausliefern, … Und wenn man euch abführt und ausliefert, macht euch nicht im Voraus Sorgen, was ihr reden sollt; sondern was euch in jener Stunde eingegeben wird, das sagt! Denn nicht ihr werdet dann reden, sondern der Heilige Geist.” (Mk 13,9f) Er wird für immer mit euch bleiben. Im griechischen steht anstelle von “immer” das Wort ÄON. Damit ist nicht “Ewigkeit” gemeint, sondern Weltalter. Solange die Welt besteht, wird der Beistand mit euch sein.
Hier die weiteren Beispiele, wo das Johannes-Evangelium den Beistand erwähnt. „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen.“ (Joh 15:26) „Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, daß ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7)
Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten. Wieder wird für „Liebe“ das Wort AGAPE (dauerhafte Wertschätzung) verwendet, nicht PHILIA (spontane emotionale Beziehung). Ob Jesus jemandem tatsächlich viel bedeutet, das ist daran ablesbar, dass er sein Wort sorgfältig im Auge behält, das Wort, das über Jesus berichtet und das seine Lehre wiedergibt. Er bewacht das Wort wie einen Schatz, den er einmal entdeckt hat und nicht mehr verlieren will.
mein Vater wird ihn lieben. Mein Wort regelmäßig zu beobachten wird nicht ohne Folgen bleiben. Derjenige wird große Wertschätzung von Seiten Gottes erfahren. Manche Leute legen Wert darauf, von einem großen Publikum geliebt zu werden. Aber vom Vater geliebt zu werden ist mehr, das ist unüberbietbar. Es ist vielleicht nicht sofort spürbar, es braucht Zeit, Zukunft: Er WIRD ihn lieben.
und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen.– Wie ist das Kommen vorzustellen? Vielleicht sind es Momente des Glücks und der Bestätigung, die dem Glaubenden gelegentlich geschenkt werden. Das Wort „Wohnung nehmen“ heißt wörtlich übersetzt „eine Bleibe machen“. Das deutet darauf hin, dass die Momente der Gottesnähe immer häufiger werden und sich allmählich wie etwas Verlässliches anfühlen. Es wird sich ausweiten von einzelnen persönlichen Erfahrungen zu etwas, das ausstrahlt auf das Umfeld desjenigen, der das Wort immer genauer im Auge behält.
Wer mich nicht liebt, hält meine Worte nicht. Es gibt auch Leute unter den Christengruppen, die nur vorgeben, Jesus würde ihnen viel bedeuten. Sie wollen den Anschein erwecken, aber es ist nur gespielt, nicht ehrlich. Es gibt sie gar nicht selten- auch in den Kirchen von heute. Erkennbar sind diese Leute daran, dass sie das Wort nicht sorgfältig unter Beobachtung halten, das Wort, das über Jesus berichtet und das seine Lehre wiedergibt. Andere Themen und andere Texte sind ihnen wichtiger. Diese Personen werden hier im Evangelium nicht angeklagt, nicht verurteilt. Aber sie werden auch nicht stillschweigend übergangen. Es wird auf sie hingewiesen. Die gibt es einfach.
Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat. Daraus ist die Bescheidenheit Jesu herauszulesen, die er zu seinen Lebzeiten an den Tag legte. Er stellte sich nie als der Große hin, der jetzt die ganz neue Lehre bringen würde. Nein, er betont, dass es „Auftragsarbeit“ sei, die er in den drei Jahren mache. Er ist nicht aufgrund eigener Entscheidung aufgetreten, sondern er wurde gesandt. Seinen Auftraggeber nennt er VATER. Dieser Satz sagt auch etwas aus über das Selbstverständnis der damaligen Christen. Ihnen warfen die strenggläubigen Juden vor, sie seien eigenwillig und sie würden den traditionellen Glauben über den Haufen werfen. Dem entgegnen die Jesus-Nachfolger: Unser Meister, unser Messias war ein Gottes-Gesandter.
Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Das Wort „zu euch gesagt“ heißt nicht „davon habe ich einmal gesprochen“, sondern das Wort LALEO bedeutet einen vielseitigen Zugang im Gespräch. „Ich habe das immer wieder erwähnt“ Die Christengruppen sind überzeugt, dass diese Zusage des PARAKLETEN nicht erfunden sei. Das hätten sie sich nicht eingeredet, sondern das gehe noch auf den damals lebenden Jesus zurück.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Nun wird der „Beistand“ noch näher beschrieben und gekennzeichnet als das PNEUMA, das soviel bedeutet wie Hauch, Atem, Wind, belebender Windhauch. Er wird „heilig“ genannt. Das Wort „heilig“ sollten wir vom Hebräischen her verstehen: KADOSCH bedeutet „beiseite nehmen“, in einen abgesonderten Bereich holen, für das Göttliche vorbehalten. Wer sich auf den Beistand einlässt, der wird also heraus geholt aus dem üblichen oberflächlichen Getriebe der Welt. Wieder wird betont, dass der heilige Hauch in Verbindung steht mit dem Vater und mit Jesus, ja die beiden sind Voraussetzung und Ausgangspunkt dafür. Der Geist ist gewissermaßen die „Anwesenheit“ des Vaters, der unbegreiflich ist und er beweist das Bleiben des Sohnes, der hingegangen ist. Zwei wichtige Funktionen erwähnt hier das Johannes-Evangelium:
Der Beistand wird „alles lehren“. Anscheinend haben die Anhänger Jesu nicht alles begriffen, lange nicht alles verstanden in den 3 kurzen Jahren 27-30, als sie mit ihm gingen. Der Geist ist der „Interpret“ der Worte und des Wirkens Jesu. Das weißt auch darauf hin, dass Glauben ein Lernprozess ist.
Der Beistand wird sie an „alles erinnern“. Das heißt, er wird ihnen alles ins Gedächtnis rufen. Alles! Vollständig! Es wird nichts verloren gehen. Die Zeugen, die Jesus noch selbst erlebt haben, halten Worttreue und sind legitime Verkündiger. Manchmal bekommt man sogar etwas angekündigt, das man zunächst nicht für möglich hält, aber erst, wenn es tatsächlich eintritt, erinnert man sich daran. Dem Petrus ist das widerfahren: „Und Petrus erinnerte sich an das, was der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“ (Luk 22,61)
Was könnte diese Evangelien-Stelle für uns heute bedeuten? Um die Zukunft zu bewältigen, brauchen wir einen Beistand, nicht nur eigene Pläne und Konzepte. Der Beistand ist uns zwar zugesagt, aber er strömt nicht selbstverständlich herab. Er ist die Fortsetzung dessen, was die Schüler Jesu mit ihm erlebt haben, die Fortsetzung dauert immer noch an. Der Beistand steht bis heute zur Verfügung, Das geht Hand in Hand mit der regelmäßigen Beobachtung des Wortes Jesu. Eine Nachfolge-Gemeinschaft, die sich vorrangig damit beschäftigt und daraus schöpft, wird mehr und mehr in sich gefestigt. Sie lässt sich auf einen Lernprozess ein und wird laufend Fortschritte machen dabei.