6.Aug. 2023 Verklärung des Herrn
Den vertrauten Menschen
im neuen Licht sehen
Matthäus 17,1-9
Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, es erschienen ihnen Mose und Elija und redeten mit Jesus. Und Petrus antwortete und sagte zu Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Noch während er redete, siehe, eine leuchtende Wolke überschattete sie und siehe, eine Stimme erscholl aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten, warfen sie sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchteten sich sehr. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und als sie aufblickten, sahen sie niemanden außer Jesus allein. Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemandem von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt ist!
Nach mittelweile 35 Reisen ins Heilige Land in einem Zeitraum von gut 30 Jahren bin ich im Februar 2017 erstmals auf den Berg Tabor gewandert. Vielleicht musste meine Zeit erst reif werden dafür. 4 freie Tage in Nazaret haben es mir ermöglicht. Mit Taxi hinauf zu fahren, wäre für mich nie in Frage gekommen. Ich musste den Berg besteigen. Ihn einen „Berg“ (588m ü.M.) zu nennen, ist für unsere österreichischen Verhältnisse übertrieben, „Hügel“ wäre entsprechender. Aber er ragt markant alleinstehend 450 m aus der Jesrel-Ebene auf. Bei meiner „Erstbesteigung“ wurde mir manches klar. An Wissen aus Bibelkommentaren und Wikipedia fehlte es mir nicht.
Zunächst einiges Wissenswerte zur Schilderung des Evangeliums:
① Manche Ausleger bezweifeln, dass der Berg Tabor tatsächlich der Berg der Verklärung war. Sie lokalisieren ihn eher in den Golan oder in das Berg-Massiv des Hermon. Der Berg Tabor erhebt sich unweit von Nazaret und sein Gipfel ist in 4 Stunden von Nazaret Zentrum (dem damaligen Wohnhaus Jesu) zu Fuß erreichbar: Dazu ist ein etwa 15 km langer Anweg nötig, es ist ein Großteils bewaldeter Weg, aber er hat es in sich, weil er zuerst hinauf, dann hinab ins Tal und schließlich zügig hinauf zum Gipfel verläuft. ② Im Verlauf des ganzen Markus-Evangeliums ist eine dreistufige Steigerung der Selbst-Offenbarung Jesu zu erkennen: Die erste ereignet sich am Jordan. Nach der Taufe erfährt es Jesus selber: „Du bist mein geliebter Sohn“. Es wird ihm geoffenbart. Die Betonung liegt auf dem „Du bist“. Die himmlische Stimme redet nur ihn an. Die zweite Offenbarung ereignet sich während der Verklärung. Dabei wird den drei engsten Vertrauten erklärt: „Dieser ist mein geliebter Sohn.“ Die Drei sollen es verstehen. Die dritte Offenbarung ereignet sich nach dem Sterben Jesu am Kreuz. Dort bekennt der Leiter des Hinrichtungskommandos (ein Nicht-Gläubiger): „Dieser war ein Gottes Sohn.“
③ Es handelt sich um eine sehr komplexe dreistufige Vision und Audition, so nennt es der Professor für Neues Testament, Massimo Grilli von der Universität Gregoriana in Rom. Jesus wurde vor ihnen verwandelt zu einer lichtdurchströmten Gestalt. Diese Art von Licht wurde in der späteren christlichen Spiritualität „Taborlicht“ genannt. Die Licht-Erfahrung ist seit dem 12.Jahrhundert bezeugt und spielte eine bedeutende Rolle vor allem am Berg Athos. Mönche bestätigen, dass das Licht im Zustand der völligen Ruhe und Gottverbundenheit wahrgenommen werden kann. ④ Die beiden Personen, die während der Verklärung wie aus dem Nichts auftauchen, sind nicht zwei zufällige Gestalten der Bibel, sondern prägende Persönlichkeiten des jüdischen Volkes: Mose hat 1200 Jahren zuvor die jüdischen Stämme aus der Unterdrückung heraus geführt und hat sie durch das Gesetz zum Volk geeint. Dazu kommt Elias, der 800 Jahren vor Jesus leidenschaftlich für den Gottesnamen JAHWE eingetreten ist und der zum ursprünglichen Vertrauen auf ihn allein aufgerufen hat. Jesus steht mit den beiden großen Gestalten des jüdischen Glaubens im Dialog, während sein innerstes Wesen gezeigt und benannt wird. Das könnte wegweisend für den christlich-jüdischen Dialog sein: Jesus steht ganz und gar in der jüdischen Tradition. ⑤Petrus drückt sein Wohlgefühl aus und hat gleich eine Idee dazu: Wir könnten hier eine Verehrungsstätte errichten, ein Pilgerziel, drei religiöse Zelte, drei Tabernakel. Im Markus-Evangelium wird schon im nächsten Satz dieser Plan als eine unüberlegte Idee hingestellt und sie wird mit seiner Benommenheit entschuldigt. Matthäus lässt den Zusatz weg. Im Laufe der Geschichte haben doch Kirchenleute Tabernakel errichtet - nicht bloß drei Hütten, drei Zelte, sondern mächtige Basiliken: die Byzantiner, die Kreuzritter und zuletzt die katholische Ordensgemeinschaft der Franziskaner (1924). ⑥ Die Stimme aus der Wolke gibt den Auftrag: „Auf ihn sollt ihr hören“ – und klarerweise das Gehörte tun! Im Matthäus-Evangelium hat der Leser schon 10 Kapitel vorher als Abschluss der Lehrrede Jesu erfahren: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann …“ (Mt 7,21)
Nun meine persönliche Erfahrung: Als ich bei meiner "Erstbesteigung" den Gipfel erreicht hatte, musste ich dort länger verweilen. Gegen 16 Uhr war es dann dringend an der Zeit, den Heimweg anzutreten. Ich machte mir Sorgen, ob ich unten im Tal in dem arabischen Dorf noch einen Linien-Bus zurück nach Nazaret finden würde – zu Fuß war es zu weit. Ich wählte zum Abstieg die Asphaltstraße, nicht mehr den Pfad des Aufstiegs. Ich hoffte auf eine Mitfahr-Gelegenheit. Dabei wollte ich schon zur Bitte ansetzen: „Guter Vater, schicke mir eine Hilfe!“ Da offenbarte es sich mir anders: „Der Vater hat schon vorgesorgt. Dafür sollst du ihn preisen!“ Das tat ich in Gedanken und nach der ersten Kurve hielt ein Auto an. Es war zwar voll besetzt, aber es war jene junge jüdische Familie aus Tel Aviv, mit der ich 1 Stunde zuvor geplaudert hatte. „Willst du mitfahren?“ Das älteste der Kinder wechselte in den Kofferraum, um mir eine Platz frei zu machen. Gerne nahm ich die Einladung an und fragte unterwegs, ob sie an einem Busbahnhof vorbei kommen würden. „Wo musst du hin?“ „Nach Nazaret – aber das ist für euch ein Umweg.“ Sie brachten mich bis vor die Haustür meines Quartiers. Ich dankte dem „Vater“ und versuchte mich nochmals zurück zu versetzen in die Zeit Jesu: Der Tabor muss sein geliebter Hausberg gewesen sein, schon in der Jugendzeit, lange bevor er mit seiner Lehrtätigkeit als Rabbi begann. Dorthin zog es ihn, wenn er als Bauhandwerker ein paar Tage frei hatte. Unterwegs zum Gipfel beschäftigte er sich wohl gedanklich mit den weisen Gesetzen, die Mose von Gott empfangen hatte und er fragte sich, wie er sie umdeuten und vertiefen würde. Ebenso kam ihm auf der Bergwanderung Elias in den Sinn, wie er kreuz und quer im Land unterwegs war, verfolgt von Gegnern und getrieben von der Leidenschaft für den wahren Glauben. Wie oft wird Jesus auf diesem Berg wieder zur vollkommenen inneren Ruhe gefunden haben!! Diesen Ort wollte er seinen drei engsten Begleitern zeigen. Da brach dieses Licht in seinem Inneren auf.
Die Einladung Jesu, mit ihm auf den Berg zu gehen, um ihn im Licht zu sehen, ergeht bis heute an seine engen Mitarbeiter. Viele, die in der Seelsorge tätig sind, wissen es, dass sich manches klärt, manches „verklärt“, wenn man weggeht, durch den Wald marschiert, auf den Berg geht. Es ist die Gelegenheit, mit Jesus ins vertrauliche Gespräch zu kommen und ihn wieder ein Stück neu zu sehen.