6.Feb. 2022 5.Sonntag im Jahreskreis
Reich beschenkt und dann beauftragt
Lukas 5,1-11
Es geschah aber: Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Gennesaret und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen. Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen. Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.
Diesmal erforschen wir das Evangelium im Zwiegespräch (auch geeignet als Dialog-Predigt).
Sprecher B Wir haben an den beiden vergangenen Sonntagen die Antrittsrede Jesu in Nazaret gehört. Jetzt schildert Lukas, was für den ersten Apostel, nämlich Simon, entscheidend dafür war, dass er Jesus folgte.
Sprecher A: In der früheren Einheitsübersetzung 1980 trug der Textabschnitt den Titel: „Die Berufung(!) der ersten Jünger.“ Das trifft aber inhaltlich nicht zu. Die neue Einheitsübersetzung 2017 hat den Titel geändert auf: „Der reiche Fischfang (!) und die ersten Jünger.“ Damit ist genauer berücksichtigt, was Lukas hier schildert, nämlich: Reich beschenkt sein und dann beauftragt werden.
Sprecher B: Aber berufen wurden die Jünger doch von Jesus. Warum betonst du, dass die neue Überschrift besser zutrifft, in der Berufung nicht mehr vorkommt?
Sprecher A: Ja, sie wurden von Jesus berufen, das stimmt schon, aber Lukas schreibt das nicht. Er schreibt nicht ausdrücklich, dass Jesus die Fischer ruft. Im Markus-Evangelium steht es so: „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihre Netze auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Lukas verwendet für sein neues Buch zwar Markus als Vorlage, aber Lukas ändert gerade dieses Erzählstück stark ab und lässt die Berufungs-Worte Jesu weg: Kommt her, mir nach! (Vergleiche dazu Mk 1,16-20 )
Sprecher B: Das ist mir noch nie aufgefallen, aber sind diese Feinheiten wichtig? Vor allem: Ist es wichtig, dass die durchschnittlichen Christen, die Hörer einer Sonntagspredigt, das wissen? Dass Lukas als Redakteur häufig eingegriffen hat und sein Evangelium umgestaltet hat gegenüber dem Markus-Evangelium, das mag für Theologie-Studierende wissenswert sein, aber was bringt das den normalen Gläubigen?
Magdala am See Genezaret wurde erst vor wenigen Jahren ausgegraben - die Entdeckung war eine archäologiesche Sensation. Neben der frei gelegten Synagoge wurde eine moderne Kirche errichtet. Sie steht unter dem Motto: Duc in altum (lateinisch) "Fahr hinaus, wo es tief ist"
Sprecher A: Ob das für die Allgemeinheit von Nutzen ist, das können wir ausprobieren. Wir folgen ganz einfach der Methode des Lukas. Er hat im Hinterkopf die Identifikations-Methode. Er sagt mehrmals "heute". Er will mit seinem Buch nicht bloß schreiben als einer, der die Ereignisse von damals schildert wie Tatsachen, sondern er gibt den Lesern von heute die Gelegenheit, sich zu identifizieren mit Personen und Gruppen, die in seiner Erzählung vorkommen.
Sprecher B: Was meinst du mit Identifizieren genau? Wie sollen wir uns das vorstellen?
Sprecher A: Wir probieren das jetzt aus: Wir stellen 2 Sessel-Gruppen auf und lassen darauf einige Gottesdienstbesucher Platz nehmen. Kannst du mir dabei helfen?
Sprecher B: Gerne – ich bin neugierig, was herauskommt.
Sprecher A: Es gibt 2 Gruppen: auf der einen Seite die Volksmenge, die großes Verlangen hatte, die Worte Jesu zu hören und auf der anderen Seite die Fischer, die beschäftigt sind mit ihrem Beruf. Sie waschen die Netze.
Sprecher B: Ich stelle also 2 Sesselgruppen auf? Sagen wir rechts 3 Sessel und links 3 Sessel!
Sprecher A: Ja, bitte. Ich lese inzwischen nochmals, was über die eine Gruppe und dann die andere genau im Evangelium steht:
„Als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Genezaret und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.“
Sprecher B: Jetzt brauchen wir also 3 Leute, die stellvertretend für die Volksmenge hier links Platz nehmen. Müssen die 3 Freiwilligen dann etwas tun oder sprechen?
Sprecher A: Nein, sie brauchen nur hier zu sitzen, damit man sie sieht als Identifikations-Gruppe. Sprechen werden wir beide. Wir benennen das, worauf es der Volksmenge ankommt.
Sprecher A + Sprecher B laden ein: Wer will Platz nehmen? (Für den Fall, dass sich niemand meldet, ist es mit einigen schon vorher vereinbart, aber echter ist es, wenn spontan Entschiedene kommen. Sobald die 3 den Platz eingenommen haben, setzen die beiden Sprecher fort. Wenn ausreichend Ministranten da sind, kann man auch sie als Darsteller verwenden. )
Sprecher B: Ich spreche stellvertretend für die Volksmenge: „Wir drängen uns um Jesus, weil wir das Wort Gottes hören wollen. Wir bewundern die Art Jesu, wie er redet. – Er hat einen Zauber in seiner Stimme. Er hat eine Klarheit in seinen Erklärungen. – Ihm zuzuhören tut uns gut, es spendet Trost und macht Mut. – Bei einzelnen Leuten hat sein Wort sogar bewirkt, dass ihre inneren Heilungskräfte mobilisiert wurden und sie wurden völlig gesund. – Wir erleben, dass sein Wort Kraft hat. – Dasselbe gilt für seine Lehren: Sie sind nicht abgehoben, sondern brauchbar und anwendbar im Leben.“ Ich könnte jetzt zu einzelnen im Volk hingehen und sie befragen, ob ich wirklich in ihrem Sinn gesprochen habe und ob sie die Worte Jesu tatsächlich so erfahren haben. Ich gehe aber jetzt nur zu ihnen, um mir die Bestätigung durch einen Blick zu holen. (B tritt mit freundlich fragendem Blick vor die Drei. Vielleicht nicken sie zustimmend.)
Sprecher A: Jetzt brauchen wir die Fischer auf den weiteren 3 Stühlen rechts. (Während er nach 3 Freiwilligen sucht, liest B die Bibelstelle wörtlich.)
Sprecher B: „Als Jesus seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist. Und werft eure Netze zum Fangen aus. Simon antwortete: Meister, wir haben die ganze Nacht nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen. Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische, ihre Netze aber drohten zu reißen.“
Sprecher A: Diese Drei hier rechts sind mehr gefordert als die Volksmenge. Sie haben einen konkreten Auftrag bekommen. Der Erste aus der Gruppe hat zwar dagegen Einwände vorgebracht: Es scheint ihm nicht realistisch, denn sie haben die ganze Nacht erfolglos gefischt. Aber dann hat er den Auftrag doch befolgt, weil er Jesus als seinen Meister anerkennt. Genau genommen nennt er ihn nicht „Meister“, das wäre im griechischen Originaltext DIDASKALOS. Er nennt ihn „Vorgesetzter“, griechisch EPI-STATES, also einer „.der über mir steht“. Das war in der damaligen Beamtenwelt einer, der dem Untergebenen Aufträge erteilte. So hat Simon den lehrenden Jesus angesprochen. Diese Drei sind also Auftragsempfänger. Das ist mehr als jene aus der Zuhörermenge, die gebannt auf seine Worte hören.
Sprecher B: Ich lese den Bibeltext weiter: „Sie füllten beide Boote, sodass sie fast versanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir, denn ich bin einer, der versagt hat, Herr! – Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.“
Sprecher A: Wir haben deutlich gehört, dass Simon jetzt Jesus nicht mehr „einen über mir“ nannte, nicht mehr "Vorgesetzter" sondern ihn plötzlich mit „Herr“ angesprochen hat. Wenn dir ganz persönlich Jesus etwas vorschlägt oder aufträgt, und du tust es, obwohl es dir nicht passt, dann wirst du reich belohnt, so reich, dass du es nicht fassen kannst – das Boot des Simon kann es nicht fassen. Das ist die Identifikation, auf die Lukas hinauswill. Wer den Auftrag Jesu befolgt, wird sich hinterher beschenkt fühlen, unverdient beschenkt! Er wird in die Knie sinken vor Dankbarkeit. Ab diesem Zeitpunkt ist für ihn Jesus nicht mehr ein „Vorgesetzter“, er ist für ihn „Herr“. Ihm übergibt er das Leben und sagt zu ihm: „Du kannst über mich verfügen, wie ein Herr über seinen Sklaven verfügt. – Ich weiß sicher, dass ich bei dir in besten Händen bin.“
Sprecher B: Solche Worte sind schon sehr anspruchsvoll. Kann da jeder mithalten?
Sprecher A: Nein, da muss sich auch nicht jeder angesprochen fühlen. Deshalb macht ja Lukas die zwei Identifikations-Gruppen. Die einen sind interessierte Hörer seiner Worte. Lukas nennt die Worte Jesu „das Wort Gottes“. Das hört die Gruppe mit starkem Verlangen. Aus der anderen Gruppe wird einzelnen Personen eine Aufgabe zugemutet, die anfangs nicht erfolgversprechend erscheint. Die Teilnehmer haben Zweifel, berechtigte Zweifel, aber dann sagen sie doch: „Auf dein Wort hin.“ Sie packen an, und die Empfehlung Jesu bewahrheitet sich. Daraufhin kann Jesus sie überreich beschenken. Wer das erlebt hat, der ist gerüstet für die so notwendige Aufgabe: Menschen an Land retten, Menschen ins Boot holen. „Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“
Sprecher B: „Menschen fangen“ – das klingt heftig, es klingt nach „einfangen mit dem Lasso“.
Sprecher A: Übersetzen wir es besser mit „Du wirst Menschen in den Bannkreis Jesu ziehen.“ Übrigens steht im Markus-Evangelium: „Ich werde euch zu Menschen-Fischern machen.“ Lukas ändert das auf: „Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“ Dieses seltsame Wort versteht man besser, wenn man die antike Welt im Blick hat, sie war eine Sklavengesellschaft. Die römischen Legionen schleppten nach ihren Siegen Tausende von gefangenen Ausländern in ihre Städte und brachten sie auf die Sklavenmärkte. Dasselbe taten auch Piraten oder Straßenräuber. Die Händler, die auf Sklaven spezialisiert waren, nannte man „Menschen-Fänger“, weil sie den Soldaten, Piraten oder Terroristen die erbeuteten Menschen abkauften und damit vorerst vor dem Tod retteten und dann zum Verkauf anboten. „Du wirst Menschen fangen“ heißt somit, du wirst Menschen freikaufen und sie einem neuen Herrn anbieten.
Sprecher B: Das war nun sehr aufschlussreich und die Gruppen waren anschaulich. Aber wir halten die 6 Freiwilligen hier nicht länger als Sklaven gefangen, wir entlassen sie wieder auf ihre Plätze (er lacht dabei), aber wir danken ihnen. Lukas würde seine Freude mit ihnen haben, weil sie uns vorgeführt haben, was er mit Identifikation meint. (B fordert die 6 Personen mit Dank auf, wieder auf ihre Plätze zurück zu kehren.)
Sprecher A: Ich möchte noch auf den Anfang zurückkommen – auf die Berufung: Lukas lässt in seiner Darstellung Jesus nicht die Worte sagen: „Komm her! Folge mir nach!“
Sprecher B: Ja, genau. Warum hören wir das nicht im Lukas-Evangelium?
Sprecher A: Der Grund wird wohl darin liegen, dass Lukas schon über 60 Jahre entfernt ist vom leiblichen Auftreten Jesu und es war nicht einmal mehr jemand am Leben, der noch von Jesus persönlich so angesprochen worden war – wir hier sind fast 2000 Jahre entfernt. Den Zauber in seiner Stimme hören wir leider nicht mehr, aber das Echo seiner Aufforderung, dass wir etwas Bestimmtes tun sollen. Es dringt bis heute durch und es gibt heute noch Menschen, die seine Aufforderung ernst nehmen. Diese können bestätigen: Man wird reich beschenkt, wenn man sagt: „Auf dein Wort hin“ und wenn man es tut.
Ergänzende Kurz-Information für näher Interessierte: Lukas weiß in den 90er Jahren von den großen Erfolgen in der Ausbreitung des Evangeliums, obwohl es oft nicht danach aussah. Dass die Gemeinden gesellschaftlich an den Rand gedrängt wurden, haben wir letzten Sonntag erfahren. Trotzdem gebietet ihnen Christus deutlich: "Macht tiefe Vorstöße" – „Fahrt hinaus ins Tiefe!“ Lukas bevorzugt für Jesus den Titel "Gebieter, Herr" gegenüber "Meister": Nur Lukas schreibt „Auf sein Wort hin" ... und dann stellt sich tatsächlich heraus, dass die "Ausbeute" enorm ist. Paulus bestätigt das, wenn er sein Wirken als teilweise sehr erfolgreich beschreibt: "In Ephesus will ich bis Pfingsten bleiben. Denn weit und wirksam ist mir eine Tür geöffnet worden, doch auch an Gegnern fehlt es nicht." (1Kor 16,8f) Genau genommen kann Paulus die Erfolge nicht für sich verbuchen, sondern Türen wurden ihm geöffnet. Das heutige Evangelium sagt im Besonderen jedem Mitarbeiter in der Kirche: "Nur Mut! Fahr hinaus ins Tiefe! Ihr werdet mit Erfolg belohnt. Danach werdet ihr euch noch mehr unter MEINE Führung stellen - mit Berechtigung werdet ihr HERR sagen."