8.Jän. 2023 Taufe des Herrn
Ja, dieser!
An dem habe ich Gefallen gefunden
Matthäus 3,13-17
Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf. Und siehe, da öffnete sich der Himmel und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.
Dass Jesus im Jordan getauft wurde, gehört zu den gesicherten Tatsachen. Aber es stellt sich gleich die Frage: Warum hat Jesus eine Taufe nötig? Das fragen sich heute manche Bibelleser - das war auch unter den Christen der ersten Jahrzehnte eine brennende Frage, wo doch für sie selbst die Taufe mit Tilgung ihrer schlimmen Vergangenheit verbunden war. Klarerweise gab es damals die Erwachsenen-Taufe. Matthäus löst in den 80er Jahren diese Frage auf seine Weise. Er führt ein Zwiegespräch zwischen Johannes und Jesus ein, in dem Johannes die Taufe zuerst nicht zulassen will. Das ist nur eine der Feinheiten, die bei genauem Lesen und Vergleichen mit den anderen Evangelien auffällt. Deshalb ist die Auslegung diesmal so gestaltet, dass der Original-Text eingewoben ist.
Zu dieser Zeit … Nach heutiger Zeitrechnung ist es das Jahr 27 n.Chr., nach damaliger das 16.Regierunsjahr des Kaisers Tiberius. Es dürfte Jahresbeginn 27 gewesen sein, also Jänner. Er kam … Der Originaltext sagt nicht einfach "kam", sondern "er trat in Erscheinung", "er war unerwartet da", "trat erstmals öffentlich auf". Matthäus verwendet dieses „In-Erscheinung-Treten“ gerne: "In jenen Tagen aber trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste Judäa“ (Mt 3,1) „Als nun Jesus geboren war, zu Betlehem im Land Juda in den Tagen des Königs Herodes, da kamen (besser: tauchten auf, es war ihre Ankunft) Magier aus dem Osten nach Jerusalem (Mt 2,1) Somit lesen wir im Zusammenhang mit der Taufe: „Damals trat Jesus erstmals öffentlich in Erscheinung.“
Jesus kam von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen.... Das war in doppelter Hinsicht außergewöhnlich: Erstens kamen normalerweise die Pilgerscharen zu Johannes nur aus einem Umkreis von 30-60 km - aus Judäa und Jerusalem. Damit nahmen sie einen 1-3 tägigen Fußweg auf sich. Von Galiläa kam kaum jemand, denn das waren 120 - 160 km (= 4-6 Tage Anmarsch). Jesus war also eine Ausnahme, dazu bedurfte es einer besonderen Entschlusskraft. Jesus wollte ganz bewusst sein bisheriges Leben mit dem Zivilberuf als Bauhandwerker abschließen – das Leben, in dem er knappe 20 Jahre den Zivilberuf als Bauhandwerker ausgeübt hatte.
Die Taufstelle lag am Jordan 8 km nördlich von der Einmündung in das Tote Meer. Jesus kam von Nazaret, das war viel weiter als die üblichen Pilger, die aus Judaä kamen. .
Zweitens kamen die Leute, um über ihre Verfehlungen und ihr sündhaftes Vorleben zu sprechen. Das traf doch auf Jesus nicht zu. Jesus brauchte sich doch nicht ein sündhaftes Vorleben vorwerfen, unter das er einen Schlussstrich zu ziehen hätte. Jahrzehnte später, als sich das junge Christentum ausbreitete, tauchte immer wieder die Frage auf: Warum also hatte es Jesus damals nötig gehabt, sich von Johannes im Jordan untertauchen zu lassen? Und: War nicht vielleicht doch Johannes der Bedeutendere? Es gab bis in die 50er Jahre hinein Johannes-Gruppen, die ihn als den Lebenslehrer verehrten. Sie standen in Konkurrenz zu den Jesus-Hauskreisen.
Dem beugt der Verfasser des Matthäus-Evangeliums in den 80er Jahren entschieden vor, indem er einfügt: Johannes aber wollte es nicht zulassen Genauer übersetzt: Er hielt ihn davon ab. und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Dieser Einwand stammt vermutlich nicht wirklich aus dem Mund des Johannes, weil er keinen Sinn ergibt: Jesus führte damals keine Taufen durch, also kann Johannes nicht sagen: Ich müsste von dir getauft werden Die Mission Jesu war eine andere. Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Das Wort "Gerechtigkeit" ist weniger ein Leitgedanke Jesu als einer des Täufers. Er kommt auch oft in der ersten Bibel, im Alten Testament vor. Er taucht schon beim Propheten Jesaja auf und das Wort „Gerechtigkeit“ sollte vom Hebräischen her eher mit "Heil" übersetzt werden– „das sich siegreich durchsetzende Heil“. „Taut ihr Himmel von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit (gemeint ist >Heil<) regnen. Die Erde tue sich auf und bringe Heil (genauer: Rettung) hervor, sie lasse Gerechtigkeit (besser: Heil) sprießen. Ich, der Herr, erschaffe es." (Jes 45,8)
Das Wort "Gerechtigkeit" scheint also eher eine Einfügung des Matthäus zu sein, der ja jüdischer Schriftgelehrter war. Es ist eines seiner Vorzugswörter. Ebenso die Wendung "es erfüllte sich das Wort". Es kommt bei Matthäus 12 Mal vor. „Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Mt 5,20 ) Jesus sagte zu den Hohepriestern und Ältesten des Volkes: „Amen, ich sage euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr. Denn Johannes ist zu euch gekommen auf dem Weg der Gerechtigkeit und ihr habt ihm nicht geglaubt“. (Mt 21,32) Somit stammt das Wort „Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen“ eher aus der Feder des Matthäus als aus dem Mund Jesu. Da gab Johannes nach.
Als Jesus getauft war, … Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass es Matthäus hier bewusst vermeidet, Johannes als den Taufenden zu schildern. In seiner Vorlage, im Markus-Evangelium steht eindeutig: „Jesus ließ sich von Johannes im Jordan taufen.“ (Mk 1,9). Das lässt Matthäus aus. Er schildert die eigentliche Taufe nicht, sondern geht gleich weiter zu den entscheidenden Zusatz-Ereignissen.
Er stieg sogleich aus dem Wasser herauf. Und siehe, da öffnete sich der Himmel ... Wie dürfen wir uns das vorstellen? Dass ein gewaltiger Riss die Wolken augenblickshaft öffnet und dass ein mächtiger Sonnenstrahl durchbricht und dass er gerade den Fleck Erde aufhellt, wo sich die Taufe Jesu ereignet. Das kommt manchmal vor. In Israel selten, denn im Großteil des Jahres ist dort der Himmel wolkenlos. Der aufgerissene Himmel kann klarerweise nur in der Regenzeit gewesen sein, wenn der Himmel Grau in Grau verhangen ist. Das passt gut zu der Jahreszeit, als Jesus dort hinkam: Jahreswechsel 26/27. Das wissen wir deshalb, weil Jesus wenige Monate später von Galiläa zum Pascha-Fest nach Jerusalem zieht - laut Johannes-Evangelium. Das war etwa Anfang April 27 n.Chr.
und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Der "Geist" heißt im Griechischen „das PNEUMA“ und im Hebräischen „die RUACH“ Das Wort bedeutet soviel wie "Hauch, Atem, Wind". Der Hauch ist zwar nicht sichtbar, wohl aber spürbar. Jesus spürte also den Windhauch und deutete ihn als Atem Gottes. Gleichzeitig flog eine Taube auf ihn zu - ausgerechnet auf ihn. Das "sah er" – offenbar nur Jesus! Tauben gibt es zwar viele dort am Jordan, so werden die anderen Besucher daran nichts Besonderes gefunden haben. Für Jesus und für Johannes hingegen war gerade diese Taube ein besonderes Zeichen. Vögel galten immer schon als Zeichen. Am häufigsten von allen Vogelarten wird in der Bibel der Adler erwähnt. Er ist Symbol für den machtvollen Herrscher. Warum wird er hier nicht ein Adler erwähnt? Jesus wäre doch der König. Erstens, weil eben kein Adler erschienen ist. Man hätte ihn für die Geschichte erfinden müssen. Es handelte sich hier aber nicht um eine erfundene Geschichte. Zweitens hatte die Taube eine andere Aussagekraft als der Adler. Sie war bekannt als sanft und arglos. Sie war ein Opfertier. Sie galt als Kosename für die Geliebte. Die Taube ist hier das Symbol der Liebe, sie ist nicht die Friedenstaube, um Krieg zu verhindern. Sie kommt vor bei der Arche Noah. Sie ist das Zeichen, dass Gott die Zeit der Flut beendet. „Siehe ich richte meinen Bund auf mit euch und mit euren Nachkommen“ (Gen 9,8) Mit der Taube über dem Haupt Jesu wird der Geist der Versöhnung angedeutet. In der christlichen Kunst wird der „Heilige Geist“ oft als Taube dargestellt. Das ist irreführend und entspricht nicht dem Evangelien-Text: Der nämlich vergleicht nicht die Taube selber mit dem Geist Gottes, sondern die Art wie sie gezielt und eindeutig auf diese Person Jesu zuflog. Die Taube stellt nicht den Heiligen Geist dar, sondern sie weckt die Erinnerung an den Geist der Versöhnung – und darum wird es Jesus vorrangig gehen: um Versöhnung. Unmissverständlich war also die ganz persönliche Zusage an Jesus: „Du bist es, auf dem der Geist Gottes ruht". Es war wohl tatsächlich ein Vogel da, der wohl den Kopf Jesu umkreiste – es war eine Taube. Sie war "wie" der Hauch Gottes. Anwesende könnten das Erscheinen der Taube als Zufall erachtet haben. In Wirklichkeit war es ein ZU-FALL, wie er aussagekräftiger nicht sein konnte. Zu den Höhepunkten, den Wendepunkten des Lebens bedeutender Menschen ereignen sich gerne unmissverständliche Zeichen. Bei den Ereignissen rund um die Taufe Jesu führte Gott die Regie – und er bedienter sich der Natur.
Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach ... Wie dürfen wir uns das vorstellen? Eine Himmelsstimme? War sie tatsächlich hörbar oder nur Symbol? Das Originalwort heißt PHONE und das wäre eher mit „Klang“ zu übersetzen, mit „Schall“ oder mit „Ton“. Hier zwei Beispiele aus der Bibel: "Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen (=PHONE, Ton), weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht.“ (Joh 3,8) „Wenn leblose Musikinstrumente, eine Flöte oder eine Harfe, nicht deutlich unterschiedenen Töne (=PHONE) hervorbringen, …“ (1Kor 14,7) So könnten wir unter dieser akustischen Vision einen atmosphärischen Schall verstehen. Das Wort PHONE kann klarerweise auch Stimme bedeuten, aber oft in kraftvollem Sinn wie "Ruf" oder "Schrei". Beim Sterben Jesu heißt es: „Jesus schrie mit lauter Stimme" (PHONE - Mk 15,34) Wir dürfen annehmen, dass im Umkreis des Johannes dem Jordanufer entlang viele Gläubige in Gruppen beisammen saßen und gemeinsam laut aus der Bibel lasen. Vielleicht hoben sie sogar Einzelsätze in Sprechchören hervor. Sie könnten laut einen Lobpreis gesungen haben. In der Bibel lassen sich mehrere Zitate finden, die hier dazu passen: „Da sprach Gott zu Abraham: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, …“ (Gen 22:2) „Den Beschluss des Herrn will ich kundtun. Er sprach zu mir: >Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt.<“ (Psalm 2,7) „Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht.“ (Jes 42,1) Gott lässt dem König David ausrichten: „Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. … Ich will für ihm Vater sein, und er wird für mich Sohn sein.“ (2 Sam 7,14) Nach biblischen Verständnis kann also jemand, der einen leiblichen Vater hat, zugleich auch Gottes Sohn sein.
Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe. Ob nun Jesus einen Schall aus himmlischen Sphären vernommen hat und ihn so gedeutet hat oder ob er den kraftvollen Klang einer betenden Gruppe auf sich bezogen hat, sei dahingestellt. Auf ihn war er gemünzt, genau in dem Augenblick ihm zugesagt. Es war wie eine Berufung. Sie war für ihn allein gedacht: „Du (!) bist mein geliebter Sohn. Ich habe an dir Freude gefunden. Du genießt den Vorzug bei mir. Du hast mein Wohlwollen.“ Matthäus ändert das „DU“ um auf: „Dieser (!) ist mein geliebter Sohn“ Warum tut er das? Vielleicht will er anklingen lassen, dass diese Zusage damals zunächst Jesus galt, aber seither jedem gilt, der getauft ist, jedem, der „auf den Namen des Vater, des Sohnes und des heiligen Geistes getauft ist.“ (= Schluss des Matthäus-Evangeliums). Somit ist den Getauften die Liebe zugesagt. Die Gottesbeziehung gründet nicht mehr auf den Geboten. Gott ist nicht mehr derjenige, der darüber wacht, dass die Gebote eingehalten werden. Er ist nicht mehr der Zurechtweisende, sondern der Wohlwollende. Er lässt jedem von uns wissen: „Du genießt bei mir Vorzüge.“
Wenn wir Christen weltweit im Jänner die Taufe des Herrn feiern, dürfen wir uns erinnern, dass wir Getaufte sind. Somit haben wir die Zusage: Du bist Gottes geliebter Sohn. Du bist Gottes geliebte Tochter. Er ist für uns Vater, der stolz ist auf jedes seiner Kinder. Seinerseits ist viel Wohlwollen da, aber es ist die Frage, ob wir die Beziehung zum VATER pflegen. Wie oft lassen wir uns sehen bei ihm? Wie sehr vertrauen wir ihm unser Schicksal an? Aus dieser Haltung könnten wir viel zuversichtlicher leben. Wollen wir alles tun, damit er stolz sein kann auf uns? ... sodass er auch über uns sagen kann: An dem habe ich Gefallen gefunden.