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30.Juli 2023      17.Sonntag im Jahreskreis

Wertvolle Entdeckung

Mt 13,44 – 46.52   Kurzfassung

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie. ...

Und er sagte zu ihnen: Deswegen gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.

Wieder erweist sich Jesus als brillanter Erzähler. Er erzählt nicht nur, sondern fordert gleichzeitig sanft heraus. Die Geschichte vom Menschen, der einen Schatz im Acker findet, ist kurz und einfach und enthält gerade deshalb Anreize. Sie weckt bei gewissen Hörern Sehnsüchte , bei anderen Neid, je nach deren Verfassung. Für die Verständigen ist sie darüber hinaus eine wertvolle Lehrgeschichte. Der Lehrgehalt wird aber nicht sofort entschlüsselt, sondern erst nach gründlichem Bedenken und wohl erst auf Grund einer spirituellen Vorerfahrung.

Der Evangelist Matthäus hat mehrere solcher Lehrgeschichten in diesem Kapitel aneinander gereiht und hat die Sammlung mit der Feststellung begonnen, dass es zweierlei Zuhörer gibt. Solche, die  dem Meister Jesus nur zuhören, und solche, die den Lerninhalt auch anwenden und einüben. Das sind seine Lehrlinge, seine Schüler, auch Jünger genannt. Über sie sagt er: „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreiches zu verstehen, ihnen aber ist es nicht gegeben.“ (Mt 13,11) Hier geht es eben um die anschauliche Lehrgeschichten, die aufklären darüber, wie sie kommt, diese neue Weltordnung, wie sie in unser Leben kommt, wie sie in unser Umfeld kommt.  Den Schlüssel für die Bildgeschichten haben die bei Jesus Lernenden schon erhalten. Jede weitere der Lehrgeschichten beleuchtet wieder einen anderen Aspekt dieses aufstrebenden Imperiums, das Jesus „Reich Gottes“ nennt und das Matthäus abändert auf „Reich der Himmel“.

Wir täten gut daran, nachzudenken, welche Schätze wir schon gefunden haben auf "dem Acker". Rufen wir uns die Freude darüber in Erinnerung! Was alles haben wir dafür "verkauft"?

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Wir könnten mit einer einfachen Methode jeder für sich die Probe machen, was die oben angeführte Geschichte persönlich auslöst, was nachhaltig hängen bleibt und was wir unbemerkt übergehen. Wir lesen den Text zunächst nur durch und schreiben ihn eine Stunde später frei aus dem Gedächtnis nieder. Dann legen wir den Bibel-Text daneben und vergleichen mit dem Rotstift in der Hand. Wir werden staunen, welche Feinheiten wir nicht präzise oder gar nicht wiedergegeben haben. Im Folgenden vertiefen wir uns in den Text, indem wir die übliche Übersetzung neben den Original-Text legen.

 

 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Das lässt schon aufhorchen: Wie? Es ist einem Schatz ähnlich, ist mit einem Schatz vergleichbar. Der Original-Text sagt nicht: „… ist wie“, sondern ist „ähnlich“. Bei vielen Hörern weckt alleine schon das Wort „Schatz“ Sehnsüchte: Oh, wenn ich auch auf so etwas stoßen würde: auf einen „Schatz“. Jeder weiß, was mit einem „Schatz“ gemeint ist, obwohl noch kaum jemand einen gesehen hat und schon gar nicht gefunden hat. Wie kommt man an einen Schatz heran? Wo ist er zu finden? Jesus sagt: „Er ist im Acker versteckt“ Der Original-Text sagt nicht „in einem Acker“, sondern in „dem“ Acker. Es ist also nicht irgendein Acker gemeint, sondern „der“ Acker. Wörtlich heißt es auch nicht, dass er „vergraben war“, sondern nur „vergraben“. ... Es ist also die Rede von einem im Acker versteckten Schatz. Das ist also keine Geschichte, die sich vor langer Zeit zugetragen hat. Nein:  Das gibt es immer wieder, auch heute, so als ob er schon „ewig“ da liegen würde, nur wartend, dass ihn jemand findet. Es handelt sich also um einen immer schon im Acker versteckten Schatz. Dem ist die Weltordnung Gottes ähnlich. Der aufmerksame Hörer kann schon heraus hören. Der Acker, das ist das Lebensumfeld, mein Lebensumfeld, und da liegt ein Schatz versteckt. Es ist also keine vergangene Geschichte, nicht eine, die sich irgendwann ereignet hat. Nein, es kann sein, dass es „meine“ Geschichte ist.

Statt „vergraben“ (griechisch KRYPTO)  sollte man eher mit „verborgen, versteckt, zugedeckt“ übersetzen. Eine Text-Parallele beweist dies: „Jesus ging weg (von seinen Gegnern, von den feindselig Gestimmten) und verbarg sich vor ihnen.“ (Joh 12,36) Dann wäre der Schatz nicht tief vergraben, sondern einfach versteckt. So beginnt die Geschichte: bewusst mit einem Schatz, so als ob er(!) das Wichtigste wäre, nicht der Entdecker.

Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Der Original-Text nennt nicht einen Mann, sondern einen Menschen (griechisch ANTHROPOS). Er fand ihn – ohne bewusst danach gesucht zu haben. Er hatte sich nicht auf die Suche gemacht, war nicht von einem Entdeckerdrang getrieben. Er hatte sich nicht zum Schatz-Sucher gewandelt, weil er etwa geheime Hinweise auf den Schatz erhalten hatte. Die Übersetzung „er entdeckte ihn“ könnte die Interpretation in solch eine Richtung lenken. Aber im Original-Text steht nur ganz einfach „er fand ihn“. Wie kam es dazu? Das wäre doch spannend zu erfahren. Darüber lässt sich Jesus nicht aus. Er lässt unserer Phantasie freien Spielraum. Wenn es „der Acker“ war, dann scheint der Mensch dort gearbeitet zu haben. Es geschah also während der Alltagsarbeit. Vielleicht hat er mit seinem Esel den Acker gepflügt. Könnte sein, dass ein kleines Eck zum Vorschein kam. Kann sein, dass nur das Eisen des Pfluges seltsam geknirscht hat. Jedenfalls ist es ein Mensch, der nicht achtlos über solche „Nebengeräusche“ im Leben hinweg geht. Er grub ihn aber wieder ein.  Das Wort „wieder“ steht nicht im Original-Text. Es ist nur vom „eingraben“ die Rede, besser übersetzt vom „verbergen“. Er wollte also, dass der Schatz keinesfalls mehr sichtbar war. Dasselbe Wort kommt in einem anderen Gleichnis vor: „Es ist wie der Sauerteig, den eine Frau unter drei Sea Mehl verbarg, bis das Ganze durchsäuert war.“ (Lk 13,21). Manch ein Zuhörer mag sich denken: Warum holt er sich nicht ein Fahrzeug, um die Schatztruhe heimlich nach Hause zu transportieren? So wäre er mit einem Schlag ein reicher Mann gewesen. Nein, Jesus schildert es anders.

Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß. Das erste ist die Freude, sie war übergroß. Sie ermutigte ihn zu etwas Heldenhaften: Er sagte sich: „Auf! Ich setze dafür alles ein, was ich habe.“ Der Entdecker will einen legalen Weg gehen, um an den Schatz heran zu kommen. Wieder steht es um eine Feinheit anders im Original-Text: „Alles, was er hatte“, nicht „was er besaß“. Damit liegt die Betonung nicht am Besitz, sondern „alles, was er zur Verfügung hatte. Alles was er geben konnte. Er setzte alles dran", Das klingt existenzieller als der Besitz. Das alles war er bereit, zu verkaufen. Wieder lässt die Geschichte den gedanklichen Spielraum: Was werden seine Freunde gesagt haben? Werden sie ihn für verrückt erklärt haben? Haben sie seine Freude bei der Aktion bemerkt?

und kaufte den Acker. Er kaufte genau  übersetzt „jenen“ Acker, so betont es der Original-Text. Beim Kaufen liegt die Betonung auf dem Ankauf, auf Heraus-Kaufen, sodass er nicht in falsche Hände kommt. Paulus verwendet das Wort einmal im Brief an die Korinther: „denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft“ (1Kor 6,20) Damit endet die Geschichte.

 

Die Zuhörer oder die Leser könnten nun fragen: „Und? Erzählst du nicht weiter? War das alles?“ Ja, hier endet die Geschichte. „Jetzt seid ihr dran.“ Wir erfahren nicht, wie er den Schatz gehoben hat: Sofort? Oder hat er nach und nach ein paar Goldstücke heimgebracht, damit sein plötzlicher Reichtum nicht auffällt. Wer hat davon als Erster erfahren? Wie rasch? War man es ihm neidisch oder beglückwünschte man ihn? Jesus hat das  bewusst offen gelassen. Damit lässt er dem Hörer den Freiraum nachzudenken: Hat der Mann nach der Auffindung den Schatz überprüft? Wieso war er sich so sicher, dass es dafür steht, alles zu verkaufen und den Acker anzukaufen? Für den Glücklichen bestand kein Zweifel. Der Schatz war so gewaltig. Um das zu wissen, brauchte man kein Fachmann zu sein, kein Juwelier. Hat ihn jemand für verrückt gehalten, weil er es auf den „blöden“ Acker abgesehen hatte? Der Ankauf und damit der Erwerb des noch versteckten Schatzes war kein Betrug. Es ging nicht mit unlauteren Mitteln zu.

 

Matthäus schließt den Reigen der Lehrgeschichten mit dem Wort: „Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.“ (Mt 13,52) Vermutlich gibt sich hier der Evangelist selbst zu erkennen, von dem wir nur wissen, dass sein Evangelium später Matthäus-Evangelium genannt wurde. Der Evangelist gibt hier ein Stück aus seiner Lebensgeschichte preis.  Er dürfte ursprünglich ein jüdischer Gelehrter der Heiligen Schriften gewesen sein und dürfte zu Jesus, dem Messias gefunden haben – noch nicht  zu Lebzeiten Jesu, sondern Jahrzehnte später. Er wurde ein „Jünger des Himmelreiches“ Was meist mit „Jünger“ übersetzt wird, der er geworden ist, heißt hier ausdrücklich „Lernender“. Das Wort Jünger heißt auf Griechisch MATHETES: Hier aber verwendet der Evangelist MATHETENTHEIS. Damit ist betont, dass er ein Lernender ist, einer der noch immer im Lernprozess steht.  Es könnte ein Wortspiel mit MATTHÄUS (hebr. Mattitjah) sein. Er bekennt: Er hat sich vorher für  einen religiös Wissenden gehalten, als er noch jüdischer Schriftgelehrter war. Durch Jesus ist er zu einem Lernenden geworden, zu einem der immer noch Fortschritte machen muss im Vertrauen und Glauben. Er ist mit dem Lernen immer noch nicht am Ende. Er holt aus altbekannten Bibeltexten immer wieder etwas Neues hervor. Außerdem verrät der Evangelist, dass er ein Hausvater ist, das heißt dass sich in seinem Haus Runden treffen  und dass er ihnen das Erkannte weiter vermittelt. Er reift selber durch Eigenstudium und durch Glaubensunterreicht immer mehr hinein in die Herrschaftsordnung Gottes. Er „verkauft“ alles, was er hat. Er gibt sein Glaubenswissen preis und er stellt sein großes Gebäude zur Verfügung, wo sich Glaubensrunden treffen – und er macht es kostenlos.  Matthäus stellte dieses „Selbstbildnis“ gezielt in die Nähe der Lehrgeschichte vom gefundenen Schatz und in die Mitte seines Buches.

 

Er will damit viele heutige „Wissende in der Religion“ herausfordern. Hat er sich früher doch auch die Religion aus gelehrten Büchern angeeignet und konnte zu jedem Bibeltext etwas predigen. Auf Wissensvermittlung baute er früher seinen Lehrbetrieb auf. Jetzt ist er von Freude erfüllt, sie ist zur treibenden Kraft geworden. Er ist dankbar, dass er den Schatz gefunden hat. Vorher ist er von einem Termin zum nächsten gehetzt und ist vorbei geeilt an dem Schatz. Nur einmal ist er langsam spaziert und hat die Natur beobachtet und dabei hat er den Schatz gefunden. Seither achtet er viel mehr auf das Langsame und Bedachte. Es kommt ihm nicht mehr aus Geld an. Früher hat er sich als Gelehrter der Bibel verausgabt und ist als Wissender vorne gestanden, jetzt ist er innerhalb der Hauskreise zu einem Lernenden geworden. So könnte Matthäus für manche Heutige ein Ansporn sein.

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