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11. Nov. 2018

32.Sonntag i.Jahr

Das Letzte geben - steht es dafür?

Markus 12,41-44

Wir legen diese Bibelstelle mit der Warum-Methode aus. Wir wagen es, jeden Satz mit „Warum?“ zu hinterfragen. Oder mit: „Warum nicht so: …. ?“

Warum hat Jesus gewusst, welche Beträge die Gläubigen eingeworfen haben? Dazu eine kurze Beschreibung des Schauplatzes: Der ausgedehnte Tempelplatz (etwa 400 X 300 Meter) war für Gläubige wie Nichtgläubige frei zugänglich. In das eigentliche Heiligtum durften nur gläubige Juden eintreten. Sie kamen zunächst in den Vorhof der Frauen, dann ging es weiter in den Vorhof der Männer mit dem Opferaltar und dem allerheiligsten Gebäude. Im ersten Vorhof waren 13 Opferkästen aufgestellt, auch Schatzkammern genannt. Das Modell des Tempels macht es anschaulich. An jedem der posaunenförmigen Behälter stand ein Priester, um die Opfergaben zu überprüfen, ob die Höhe dem Anliegen angemessen war und ob die Währung stimmte. Somit führten die Gläubigen vor dem Einwerfen ein Gespräch mit dem Tempelbediensteten.

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Der 7-armige Leuchter bestand aus purem Gold. Er gehörte zum Tempelschatz, den die römischen Truppen im Jahr 70 n.Chr. geraubt haben.

Das kann Jesus bei der Witwe durchaus mitgehört haben. Warum wusste er, dass die Reichen, die kamen, viel einwarfen? Vielleicht, weil  Würdenträger ihr Geben zur Schau stellten und Wert darauf legten, dass die Bevölkerung merkte, wie großzügig sie spendeten. Jesus empfiehlt an anderer Stelle: „Wenn du Almosen gibst, lass es nicht vor dir her posaunen … Dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“ (Mt 6,2) Warum merkte er, dass die Frau eine Witwe war und noch dazu verarmt? Sie ging „einsam“ durch das Heiligtum, was nicht in allen Übersetzungen wieder gegeben wird. Vielleicht trug sie noch die schwarze Trauerkleidung. Das hätte bedeutet, dass sie erst vor wenigen Wochen ihren Mann verloren hatte. Vielleicht klagte sie ihren Kummer dem Tempelpriester für andere hörbar. Vielleicht betete sie halblaut vor sich hin: „Herr, du verschafft Waisen und Witwen ihr Recht.“ (Dtn 10,18) Sie  hat „zwei kleine Münzen“ eingeworfen. Im Originaltext steht es präziser: Dort ist von griechischen Münzen die Rede: „zwei Lepta“. Der Evangelist Markus fügt gleich die entsprechende römische Währung an: „Das ist ein Quadrans.“ Daraus ist zu erkennen, dass er in Rom sein Buch zum Abschluss bringt

Warum ging Jesus nicht zu der Verarmten hin und bot ihr Geld an, er der sonst ein Herz für die Armen hatte? Er hätte gleich Judas damit beauftragen können, der doch die Kassa verwaltete. Vielleicht tat er es nicht, weil er sicher war, dass sich für diese Frau etwas fügen und sich damit ihr Vertrauen bestätigen würde. Warum sagt Jesus nicht, wie unangemessen überhaupt eine Spende in den Tempelschatz ist. Schon in 40 Jahren wird kein Stein auf dem anderen liegen bleiben. Römische Truppen werden den Tempelschatz rauben und es wird schlagartig soviel Gold auf den Weltmarkt kommen, dass der Goldpreis sinken wird. (Das hat sich tatsächlich im Jahr 70 ereignet). Den Schriftgelehrten hält er vor, dass sie die Häuser der Witwen auffressen. Dorthin sollte man noch spenden? Das aufzudecken hat Jesus nicht vor. Vielmehr hatte er es eilig, den rundum verstreuten Schülerkreis zu sich zu rufen und  zu erklären: „Diese bettelarme Witwe hat soeben einen Geldbetrag eingeworfen, der mehr Wert ist, als der von allen anderen.“ Die Zuhörenden werden wohl den Kopf geschüttelt haben. „Wie die aussieht, kann sie nicht so viel Geld gehabt haben.“   Jetzt kommt Jesus zu  seiner Schlusserklärung: „Üblicherweise geben die Mitglieder der Religion den  Betrag als Spende, den sie leicht verkraften können. Sie besitzen mehr als nötig und geben vom Überschuss etwas ab. Jetzt führe ich euch Männern das Verhalten dieser Frau vor Augen.“ Jesus nennt sie bewusst nicht mehr „arme Witwe“, sondern „Frau“, und es ist das dritte Mal, dass er seinen Schülern eine Frau als Beispiel nennt: Die erste war die mit den Regelblutungen (Mk 5,34), die zweite war die Nichtjüdin mit ihrer psychisch schwer belasteten Tochter. (Mk 7,29). Bei allen dreien würdigt er deren unerschütterliche Überzeugung, dass ihnen geholfen wird.  Wenn Jesus den Schlusssatz spricht, ist fast ein feierlicher Ton heraus zu hören: „Diese Frau hat aus ihrem Mangel heraus alles eingeworfen, was sie hatte, ihr ganzes Leben.“

 

Der Schlüssel zum Verständnis scheint hier im letzten Satz zu liegen, nämlich: Sie warf ihr ganzes Leben ein. BIOS heißt Leben, Lebensalltag, Existenzgrundlage. Jesus muss mit einem Mal sein eigenes Schicksal abgebildet gesehen haben. In wenigen Tagen würde auch er sein ganzes Leben in die Waagschale werfen.   In diesem kurzen Stück kommt sieben Mal das Wort „werfen“ vor. Die Einheitsübersetzung gibt es nur vier Mal wieder, zweimal schreibt sie stattdessen „Reiche gaben viel, die Frau hat alles hergegeben“, obwohl dort auch werfen (BALLO) im Original-Text steht. Es ist dasselbe Wort wie beim Saatgleichnis:  „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen auf die Erde wirft.“ Mk 4,25 Auch da übersetzt die Einheitsübersetzung zu ungenau: „… Samen auf seinen Acker sät.“ Damit kommt kaum zum Ausdruck wie Jesus seinen Lebenseinsatz empfindet: „… auf die Erde hin geworfen sein.“ Er ist der Same, das Wort, der volle Einsatz.

Indem Jesus den Scheinwerfer auf den Ganzeinsatz der Frau lenkt, ermutigt er seine Anhänger: Das Letzte zu geben, lohnt sich, auch wenn man sich zunächst als Verlierer fühlt. Du bekommst es reichlich rückerstattet, was du in die Waagschale Gottes geworfen hast. Den wertschätzenden Blicken Gottes entgeht es nicht, wie du dein Leben investierst nach seinen Vorstellungen. Am Schluss bist du nicht der zu kurz Gekommene, sondern der Beschenkte, bist eingeladen zum Fest: „… denn die Zeit der Ernte ist da.“  So endet das Saatgleichnis und es klingt nach Feiern.

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